Die Legende der Prinzessin Kaguya

Jede Kultur hat ihre ganz eigenen Geschichten und Märchen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die mitteleuropäischen Gefilden haben spätestens seit den Aufzeichnungen der Märchen durch die Gebrüder Grimm Geschichten wie Rotkäppchen oder Rapunzel, der arabische Raum kennt die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht und Japan hat ihre ganz eigenen Legenden und Sagen, von denen Taketori Monogatari, also „Die Geschichte vom Bambussammler“ mit zu den bekanntesten gehören sollte.

In Deutschland ist die Geschichte um einen Bambusschneider, der in einem Bambus ein Kind findet und mit seiner Frau aufzieht, bis die erwachsene Frau zum Mond zurückkehrt, eher unbekannt. In Japan ist jedoch diese Geschichte so berühmt und so tief in der Kultur verankert, dass man sie mit der Selbstverständlichkeit von Grimms Märchen hierzulande vergleichen kann. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis sich eine bekannte Größe wie Studio Ghibli, genau genommen der Regisseur Isao Takahata, der Geschichte annahm und sie 2013 unter dem Titel Die Legende der Prinzessin Kaguya veröffentlichte. Überflüssig zu erwähnen, dass auch Kaoru bereits seine Meinung zum Film getrötet hat.

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Der Film beginnt am Anfang auch mit der ziemlich authentischen Nacherzählung der Sage, denn der Bambusschneider, ein älterer, kinderloser Herr, findet in einem ungewöhnlich leuchtenden Sprössling ein kleines, fast puppenhaftes Mädchen, das sich in seinem Zuhause in den Armen seiner Frau in ein Säugling verwandelt. Das Ehepaar beschließt, dass es sich um ein himmlisches Zeichen handeln muss und zieht das Kind von nun an auf.

Wie sich sehr schnell herausstellt, wächst das Kind mit einer ungeheuren Geschwindigkeit heran, sodass es von der Dorfjugend den Spitznamen „kleiner Bambus“ erhält. Zu einer der Jungen, ein Teenager mit dem Namen Sutemaru, hat das Mädchen ein besonders gutes Verhältnis und der leidenschaftliche Wildfang erlebt mit ihm und den anderen Jungen einige unbeschwerte Tage in ihrer Heimat, den Bergen.

Das ändert sich langsam, aber sicher, als sie selbst zu einem Teenager herangewachsen ist und der Vater in vielen abgeschnittenen Bambusstöcken Gold und wertvolle Kleider findet, was ihn dazu veranlasst, seine Tochter in einem neugebauten Palast der Stadt wie eine Prinzessin aufzuziehen. Die vor unvollendete Tatsache gestellte junge Frau, von nun an Kaguya genannt, ist anfangs gar nicht begeistert und wehrt sich heftig gegen diese Änderungen, fügt sich aber recht schnell den neuen Gegebenheiten.

Schon bald ist sie überall bekannt und es herrschen zahlreiche Gerüchte, wie schön sie sei. Das verheißungsvolle Versprechen um ihre Vagina lockt zahlreiche Verehrer an, von denen fünf aus besonders hohen Rängen stammen. Da sie jedoch nicht wie alle anderen einfach abweisen kann, stellt sie allen jeweils eine Aufgabe, einen unmöglichen Schatz für sie zu besorgen, in der Hoffnung, dass solche Aufgaben sie dauerhaft vertreiben werden.

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Das gelingt mehr oder weniger trotz zahlreicher Fälschungsversuche auch, was Kaguya amüsiert, doch als einer bei dem Versuch stirbt, fühlt sie sich miserabler denn je und als dann auch noch sich der Kaiser ankündigt, scheint ihre Abwärtsspirale unausweichlich zu sein.

Wer bis hier die Handlung gelesen hat, wird bemerken, dass sich der Film abseits von ein paar Kleinigkeiten erstaunlich nah an der Sage hält, womit sich auch das Ende ziemlich schnell erraten lässt. Auch wenn man in Zeiten der überempfindlichen, sich vor Spoiler ängstigenden Masse befindet, muss das nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten, denn es kommt auch eher darauf an, wie der Film endet und das in Szene setzt und lasst euch eines sagen: der Film kann das verdammt gut.

Wenn also der Film etwas kann, dann ist es Emotionen – teilweise in Konflikt miteinander stehende – zu übermitteln. Das macht den Film offensichtlich nicht nur zum emotionalen Erlebnis, sondern lässt auch Kaguya sehr lebensecht und nachvollziehbar wirken. Das mag nicht nach viel klingen, doch aus mir lassen sich nur schwer Emotionen entlocken und musste beispielsweise bei Die letzen Glühwürmchen – einem anderen Werk von Ghibli, das gerne für seine Emotionen hergezogen wird – nicht weinen und wenn es mir hier schwer gefallen ist, mich nicht dem hinzugeben, bedeutet das schon was. Zugegebenermaßen hängt das aber wohl von Person zu Person ab.

Das bedeutet aber nicht, dass mir Kaguyas Handlungen hundertprozentig schlüssig waren, was wahrscheinlich eine kulturelle Ursache hat. Mir ist schon klar, dass Frauen auch heute noch tief im Schlamm der Traditionen steckenden Japan kaum etwas zu sagen haben und früher dürfte das nicht besser gewesen sein, doch als Wildfang dürfte Kaguya schon den Mut besitzen, ihrem Vater sagen zu können, wie unglücklich sie sich fühlt. Der mag zwar ein auf Traditionen pochender Idiot sein, aber wie man auch gegen Ende des Films herausfindet, besitzt der dennoch ein gutes Herz und kann auch seiner Tochter zuhören und hätte sie das eher getan, wäre es letzten Endes vielleicht nicht so gekommen.

Wobei ich schon zugeben muss, dass ihr Verhalten die zwei recht subtil haltenden Botschaften, die gewisse sozialen Restriktionen und Gier nach Reichtum kritisieren, unterstützt. Eigentlich erwarte ich mehr von einem Dickkopf wie ihr, doch ich kann schon verstehen, dass die Bestrebungen, den gesellschaftlichen Anforderungen mit allem Zwang entsprechen zu müssen, um anderen zu gefallen, enormen Druck auf eine junge Frau ausüben können. So oder so unterstütze ich in der Theorie die Botschaften des Films, hätte mir nur ein wenig mehr Widerstand von Kaguya gewünscht, um diese besser vedeutlichen zu können.

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Immerhin habe ich gar nichts an der Gestaltung des Films zu meckern, die wohl für viele ungewöhnlich gewirkt haben mag, aber sehr hübsch aussieht und passend zum Ausgangsmaterial sich nach traditioneller japanischer Malkunst richtet. Es mag paradox klingen, doch gerade bei sehr schnellen, hektischen Szenen entwickelt es durch seinen unfertigen Eindruck eine ganze eigene Dynamik. Aber auch die ruhigen, „besser“ ausgearbeiteten Szenen mit ihren kleinen Details und der schönen Farbgebung sehen einfach nur toll aus.

Aber auch wenn ich ein großer Fan des Zeichenstils bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht noch zwei Hühnchen zu rupfen hätte. Eins mit dem Lokalisationsteam, das für trottelig-ignorante Westler wie mich die japanischen Schriftzeichen mit Untertiteln hätten belegen können und eins schließlich mit dem Regisseur selbst, denn obwohl der Film mir in vielen Belangen gefällt, besitzt der Film eine nicht unerhebliche Schwäche, die es anders als bei den anderen bisher genannten kleinen Makeln davon abhält, den Film als Meisterwerk zu betrachten und das ist die Länge des Films.

Meine Fresse, der Film ist über zwei Stunden lang und auch wenn ich nichts gegen ruhigere, langsamere Filme habe, hätte eine Straffung hier und da dem Pacing nicht geschadet. Viele Szenen sind sehr lang und nicht wenige davon enthalten eigentlich keine bis kaum Relevanz zum Plot. Hätte die Honigmelonenszene wirklich so lange gehen müssen? Hat es die eine Szene in der Mitte mit Sutemaru wirklich gebraucht? Ich brauche nun wirklich keine Action und ich verlange ja auch nicht, dass dramatische Szenen Schlag auf Schlag folgen müssen, aber ich musste während der Sichtung nicht selten denken, wie langsam alles voranschreitet und das wird mich wohl auch in Zukunft davon abhalten, den Film jederzeit wieder sehen zu wollen.

FAZIT

Der Film ist leider stellenweise ziemlich langatmig, doch davon abgesehen besitzt der Film keine wirklich erheblichen Schwächen. Er bietet Emotionen, zeigt Kaguyas Innenleben ganz gut auf, vermittelt wichtige Botschaften auf subtile Weise an sein Publikum und sieht auch noch ziemlich toll aus. Daher würde ich nur den Ungeduldigen davon abraten, diesen Film sich ansehen zu wollen.

2 Antworten auf „Die Legende der Prinzessin Kaguya

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    1. Ich ignoriere mal den ironischen Unterton und antworte direkt darauf, denn mein Eindruck war, wie viele den Film außerordentlich loben und beim Konsum wie ein Schlosshund heulen mussten. Er ist auch gut, aber besonders emotional wurde ich dabei nicht, weshalb ich mich lange fragte, ob das an mir liegt. Dann aber an der eigentlich schon vorhersehbaren Abschiedszene bei Kaguya emotional zu werden, fand ich seltsam. Aber das bin ich.^^

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